Seit einiger Zeit interessiere ich mich für sie; irgendwann habe ich dann angefangen, mehr und mehr über sie zu lesen - und dieses Jahr bin ich dann Mitglied geworden und unterstütze sie: die Gemeinwohlökonomie (GWÖ). Was GWÖ genau ist und will, könnt Ihr anderswo detailliert nachlesen - zum Beispiel auf ecogood.org oder in dem sehr lesenswerten Buch „Gemeinwohlökonomie“ von Christian Felber (dessen aktuelle Thesen zur Covid-Bekämpfung ich übrigens nicht teile…) Aber wieso mich die GWÖ inspiriert, ja: begeistert, das habe ich mal hier aufgeschrieben:
Weil das BIP auf den Müllhaufen der Geschichte gehört:
Kurzfristige Kapital- und Gewinnmaximierung, Konkurrenz und Wettbewerb als oberste Ziele des Wirtschaftens können’s ja wohl nicht gewesen sein. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) misst im Kern genau das, jeder Verkehrsunfall zahlt auf unseren Wohlstand ein, wenn man dem BIP folgt. So wie es historisch entstanden und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zum Leitstern wirtschaftspolitischen Handelns geworden ist, so gerät das BIP in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts immer stärker unter Beschuss. Eine Enquete-Kommission des deutschen Bundestages hat bereits nach Alternativen gesucht, die nicht gerade als Kapitalismusfresser renommierte OECD betreibt auch eine „beyond GDP“-Initiative, im Himalaya-Staat Buthan ist das „Bruttonationalglück“ bereits in der Verfassung verankert, und in den Berichten des britischen, des neuseeländischen und anderer Finanzministerien spielen ähnliche Indikatoren eine immer größere Rolle. Konzepte wie »Positive Business«, die »doughnut economics«, die »Postwachstumsökonomik«, die Care-, Gemeingüter-, Gleichgewichts-, Geschenk- oder Ökologische Ökonomie schaffen es immer häufiger in die BWL-Vorlesungen, in die Wirtschaftsseiten der Zeitungen, in die Vorstandssitzungen der Unternehmen. Bye, bye, BIP - der Zeitpunkt ist nicht mehr sooo fern.
Weil die GWÖ Mut macht:
Für mich steht die Gemeinwohlökonomie (GWÖ) als ethischeres Wirtschaftsmodell nicht für finsteren Verzicht und Rückschritt, sondern für den Glauben an Fortschritt und Veränderbarkeit. Auch aufgrund der vielen inspirierenden Beispiele, die schon GWÖ-zertifiziert und/oder Mitglieder sind: Unternehmen wie Vaude oder die Sparda-Bank München, Handelsbetriebe, Bäckereien, Kommunen, EinzelunternehmerInnen wie ich. Manche Unternehmen haben sich schon zum dritten, vierten Mal rezertifizieren lassen - weil sie von ihrem Ausgangspunkt aus schon einige Schritte gegangen sind und gleichzeitig immer weitere Verbesserungsmöglichkeiten im Sinne der GWÖ sehen.
Weil es in Zeiten von Covid, Krieg und Krise besonderen Rückenwind für positive Veränderungen braucht:
Können wir jetzt nicht mal mit dem CO2-Preis Schluss machen, muss der Verbrennermotor wirklich jetzt abgeschafft werden, kann das Lieferkettengesetz nicht warten? Immer wieder höre ich von Versuchen, die Fortschritte der letzten Zeit in Sachen Nachhaltigkeit rückgängig zu machen. Ich bin hingegen überzeugt: Aus den dramatischen Innovationssprüngen, die wir seit Beginn der Corona-Pandemie machen mussten, können wir für künftige Zeiten lernen. Und sollen und können diesen Schwung weiter in Richtung eines gemeinwohl-fördernden Wirtschaftssystems nutzen.
Weil die GWÖ gutes Wirtschaften messbar macht - jenseits des -washings:
Einseitige Umweltberichte, um zu demonstrieren, wie grün man doch sei; teuer eingekaufte Purpose-Statements, die am eigentlichen Sinn und Zweck nichts ändern; Diversity-Kampagnen nach außen, die mit wahrer Vielfalt und Inklusion im Innen gar nichts zu tun haben: Die „green-“, „pink-“ und sonstigen -Washing-Versuche von Unternehmen halten einer GWÖ-Bilanzierung nicht stand. Die Gemeinwohlökonomie macht gutes Wirtschaften wirklich messbar, vergleichbar, verbesserbar. Hier geht es zu den bereits auditierten Firmen, Gemeinden, Organisationen, EinzelunternehmerInnen: https://audit.ecogood.org/firmenauskunft/
Weil ich Vater bin
… und ich schon alleine gegenüber den Kindern mal sagen können möchte: Ich habe etwas für eine umweltverträgliche, menschlich gesunde und ökonomisch solide Arbeits- und Wirtschaftswelt zu tun versucht.
Weil Nachhaltigkeit immer mehr zum Wettbewerbsvorteil wird (hoffentlich):
Die Verbindlichkeit gegenüber Parteien, Unternehmen, Marken und anderen großen Organisationen scheint bei den jungen Arbeitnehmenden, die auf die geburtenschwachen Jahrgänge folgen, abzunehmen. Beitrag, Sinnhaftigkeit, Nachhaltigkeit, Vereinbarkeit zwischen Beruf, Familie und Freizeit scheinen als Werte für die Generationen Y und Z wichtiger zu werden als nur Karriere und Kohle. Eine Orientierung - und vielleicht ja auch Zertifizierung - im Sinne der GWÖ kann einem Unternehmen dabei helfen, attraktiv zu werden und zu bleiben für junge Talente. Auch für die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Kundinnen und Lieferanten kann GWÖ zu einem echten Asset werden.
Weil ich Ski(touren)liebhaber bin
Ich lebe in Garmisch-Partenkirchen, am Fuß der Zugspitze. In den Bergen ist der Klimawandel besonders krass und schnell zu besichtigen - auch wenn die Alpen wahrscheinlich viel weniger dramatische Konsequenzen zu befürchten haben als Küsten-, Steppen- und andere Regionen: Der südliche Schneeferner-Gletscher an der Zugspitze wird wohl heuer ganz dahinschmelzen; viele Eistouren von vor 15, 20 Jahren sind aus Mangel an Eis gar nicht mehr machbar; die Starkregenereignisse und Murgänge sind in den vergangenen Jahren immer heftiger geworden.
Als leidenschaftlicher Skifahrer bin ich auch Teil des Problems, indem ich im Frühwinter auf technisch beschneiten Pisten bergabwedle oder mit Tourenfellen hinaufkeuche. Wenigstens fahre ich dem Schnee nicht mehr so bedingungslos per Auto hinterher, wie ich das früher getan habe. Aber konsequenter geht natürlich immer… Eine GWÖ-Auditierung, mit der ich für mein eigenes Business gerade beginne, zeigt mir meine eigenen Inkonsequenzen, Verbesserungsmöglichkeiten und Fortschritte auf.
Weil ich Politikwissenschaftler bin…
das mal studiert habe, mich immer schön für gesellschaftliche und politische Themen interessiert habe und mich schon in den 1990er Jahren (wir erinnern uns an die Rio-Konferenz, den Global Compact etc.) für nachhaltigere Formen derzeitigen Wirtschaftens begeistert habe. Als Trainer und Coach arbeite ich aktuell vor allem an der Veränderung einzelner Führungskräfte und Leadership-Teams mit. Aber als politisch denkender Mensch weiß ich: Es braucht mehr, es braucht auch Regeln, Normen, Anreizstrukturen. Laut den Koalitionsverträgen in Baden-Württemberg und Hamburg sollen GWÖ-Unternehmen Vorteile bekommen, vielleicht sind ja in Zukunft auch Steuerreduktionen oder Bonus-Punkte in Ausschreibungsverfahren denkbar, wenn Unternehmen besonders sozial und ökologisch wirtschaften, ich fände das richtig!
Weil man mit der GWÖ am Ball bleibt:
Transformation, egal in welche Richtung, ist keine Tages- oder Wochenendaufgabe, die einmal gemacht und dann erledigt ist. Wer etwa in der GWÖ-Zertifizierung feststellt, dass beim Stromverbrauch oder der Ressourcennutzung oder der Fairness Lieferanten gegenüber noch Luft nach oben ist - und bei wem ist das nicht der Fall? -, die oder der bekommt dabei konkrete Verbesserungsmöglichkeiten aufgezeigt.
Weil ich in meinem Podcast „Positiv führen“…
immer schon neben Themen aus Positiver Psychologie und Positive Leadership besonders interessiert war an inspirierenden Interviewgäste aus der Welt des nachhaltige(ren) Wirtschaftens wie etwa
- VAUDE-Chefin Antje von Dewitz (https://positiv-fuehren.com/podcast/mein-podcast-positiv-fuehren-folge-6-interview-antje-von-dewitz-vaude/)
- Helmut Lind, Vorstandsvorsitzender der Sparda-Bank München (https://positiv-fuehren.com/podcast/mein-podcast-positiv-fuehren-folge-37-positiv-fuehren-und-gemeinwohloekonomie-interview-helmut-lind/)
- Yunel-Gründerin Dr. Kerstin Humberg (https://positiv-fuehren.com/podcast/mein-podcast-positiv-fuehren-folge-36-positive-leadership-und-nachhaltigkeit-interview-mit-kerstin-humberg/)
Weil ich an das Gute im Menschen glaube:
Das vorwiegende Bild, das in der Ökonomie, im Wirtschaftsteil der Zeitungen und an den Stammtischen immer noch vorherrscht, ist das des rationalen, egoistischen Nutzenmaximierers, ein Bild, das den Menschen als kurzfristig orientiertes Ellenbogenwesen sieht. Man kann das so sehen, und wenn man das so sieht, findet man auch genügend Belege dafür, behandelt seine Kundschaft und erzieht seine Kinder entsprechend etc., was dann wieder Belege für die eigene Weltsicht liefert. „Im Grunde gut“, dieser wunderbare Buchtitel des wunderbaren Buches von Rutger Bregmann (https://www.rowohlt.de/buch/rutger-bregman-im-grunde-gut-9783499004162) bringt es für mich auf den Punkt: Wir Menschen sind prinzipiell auf Kooperation, Rücksicht und Langfrist-Orientierung ausgerichtet, sonst hätten wir es trotz aller Gräuel und Untaten gar nicht so weit gebracht. Die GWÖ hilft uns allen, dem näher zu kommen, was wir sein können. Deshalb bin ich dabei. Ihr vielleicht demnächst auch?!
Mit positiven Grüßen aus Partenkirchen, wo der Sommer schon allmählich Pfiaddi und der Herbst bald Griaßdi sagt,
Euer und Ihr
Christian Thiele
P.S.: Ihr macht/Sie machen das gut!
Über mich:
Ich versuche, mehr Glück in die Arbeit zu bringen – mit Seminaren, Coachings, Workshops, Keynotes zu positiver Führung. Für Führende, Teams, Organisationen. Evidenzbasiert und wissenschaftlich fundiert, auf der Haltung und den Erkenntnissen der Positiven Psychologie gegründet – und gleichzeitig ganz praxisorientiert und hands-on.
Wem der Artikel gefallen hat und mehr von/über mich wissen mag: Mich gibt’s auf Xing, LinkedIn etc. – und in meinem Podcast "Positiv Führen", alles unter www.positiv-fuehren.com. Wer Fragen/Interesse hat: gern melden!
Hallo Jochen,
schön deinen Beitrag hier gelesen zu haben. Ich unterstütze das voll und ganz.
Liebe Grüße, Sebastian