Barbara Lax – Ingenieurin, Informatikerin, Mutter, Skitourengeherin, Iron-Man-Finisherin und eine alte Schulfreundin von mir – hat mit "Little Green House" eines der am schnellsten wachsenden StartUps in Europa gegründet. Sagt nicht irgendwer, sagt die Financial Times! Barbara (ich darf sie Babsi nennen) hat dafür alle möglichen Preise erhalten, mit und ohne Champagner. Barbara ist schon lange, sehr intensiv und sehr reflektiert in Sachen Positive Psychologie/Positive Leadership unterwegs.
🎙Nach einem der schönsten Skitage dieser eher mageren Saison habe ich mit ihr daher ein Interview für meinen Podcast "Positiv Führen" geführt. Hier die wichtigsten Lektionen, die StartUps und junge, schnell wachsende Organisationen daraus in Sachen Positive Leadership mitnehmen könnten/sollten/müssten:
Führung ernst nehmen
Produkt, Kohle, Kunde: Gerade in jungen Unternehmen liegt nach meiner Erfahrung der Schwerpunkt häufig auf diesen Punkten. Führung wird einfach nur gemacht – mehr oder weniger. Aber häufig hat Leadership nicht den Platz, den sie verdient. Dabei legen Studien nahe, dass das Wie von Führung einen signifikanten Einfluss auf den Erfolg von Start-Ups hat. Wertschöpfung durch Wertschätzung: Gerade Führungsstile, die bewusst immer wieder auf das Positive fokussieren, die tragfähige Beziehungen fördern und die Sinn und Bedeutung erlebbar machen, korrelieren mit erfolgreicherer organisationaler Performance. Im Dialog unter den Gründerinnen/Eigentümern, in der Diskussion mit den Teamleads und Mitarbeitenden, in Leadership-Breakouts, individuell und maßgeschneidert im Coaching, per Casual Learning mit Podcasts oder durch das Lesen von Büchern: Es gibt etliche Möglichkeiten, den eigenen Führungsstil zu reflektieren und zu optimieren. Es wird sich wahrscheinlich immer lohnen!
Die 4 Ps beachten: People, process, purpose – and product
Gerade in jungen Firmen dreht sich häufig alles nur um eines: ums Produkt oder um die Dienstleistung. Und viele junge Firmen scheitern daran, dass sie sich nur um eines gedreht haben: ums Produkt. Tun Sie was für die anderen drei Ps, fürs Miteinander, für die Prozesse – und für das Why.
- StartUp ist gleich junge Hüpfer? Nicht zwangsläufig, gerade jungen, dynamischen Organisationen können ein paar alte Häsinnen und Hasen besonders gut tun. Gemeinsame Erfolgserlebnisse, gemeinsame Breakouts können Vertrauen und Beziehungen besonders dann wirkungsvoll vertiefen, wenn das Unternehmen über die erste Generation der Kickerkumpels hinausgewachsen ist. Echte People-Orientierung im StartUp bedeutet auch, den Mitarbeitenden eine Perspektive zu geben oder mit ihnen darüber im Gespräch zu sein, wo sie in zwei oder fünf Jahren stehen könnten. Sonst wechseln sie möglicherweise irgendwann frustriert zu Großkonzernen wechseln, die zumindest in diesem Aspekt häufig besser aufgestellt sind.
- Je mehr und je schneller Organisationen wachsen, desto wichtiger wird Klarheit der Abläufe: Wer ist für was zuständig, welche Informationen werden über welchen Kanal wie geteilt, wer ist für wen wann am besten erreichbar? All diese Prozessthemen sollten bewusst angegangen werden.
- Und schließlich der Purpose: „Don't worry about being successful but work toward being significant and the success will naturally follow”, schreibt Oprah Winfrey. Und Simon Sinek riet schon Ende der nuller Jahre: „Always start with why!“. Gerade wenn Organisationen wachsen und erwachsener werden, oder wenn gar die Gründerinnen nicht mehr die Geschäfte leiten, ist es wichtig, dass Führung das Wozu immer wieder erlebbar macht – und nicht nur das Was und Wie.
Flow nicht mit Spaß verwechseln
Spaß? Spiel? Nein, der große Mihaly Csikszentmihalyi [ausgesprochen übrigens „Mihai Tschiksentmihai“] , einer der Gründerväter der Positiven Psychologie, wollte seinen Studienergebnissen nicht diese Überschrift geben – weil sie sich dann weniger seriös angehört hätten – angeblich… Also sprach und schrieb Csiskzentmihalyi von „Flow“ als jenem Zustand, der eintritt
- bei einer in der Regel selbstgewählten Tätigkeit,
- die eine gute Passung zwischen den selbst wahrgenommenen (!!!) Kompetenzen und Anforderungen bietet,
- die Fortschritt und Feedback bietet
- und damit zu einem Aufgehen im Hier und Jetzt führt.
Flow ist dabei keine reine Bällebad-Veranstaltung, in der alles immer nur spaßig, witzig und easy ist und alle permanent um den Tischkicker herumalbern, das wird nach meiner Erfahrung gelegentlich missverstanden. Nein, Flow ist fokussiertes, konzentriertes Dranbleibenkönnen und Dranbleibenwollen. Führung kann Flow durch, siehe oben, transparente Prozesse, nützliche Tools, häufige Rückmeldung und klare Kommunikationskanäle und -regeln wahrscheinlicher machen. Helikoptern, Chaos, Ghosting, Dauerkommunikation: Damit bremst Führung Flow und Engagement häufig.
Psychologische Sicherheit schaffen und Angst abschaffen
Es gibt wohl wenige Organisationen, die sich so viel mit Daten über die eigene Organisation befassen wie Google. Bei Studien dazu, was denn die wirklich erfolgreichen Teams bei Google ausmacht, kam heraus: Es ist für Teamexzellenz nicht so entscheidend, WER dabei ist (Alter, Intelligenz, Erfahrungen etc.), sondern vielmehr, WIE in dem Team miteinander umgegangen und kommuniziert wird. Wenn Führung es schafft, ein Klima der Angstfreiheit zu schaffen, in dem
- Fehler erlaubt sind statt ständig das „Blame game“ zu spielen;
- Widerspruch gefordert und gefördert wird durch die Führung statt Einheitsdenken;
- viel Feedback und Rückmeldung gegeben wird statt stummem Neben- oder gar Gegeneinander;
- Risiko und Wagnis gelebt werden statt Absicherungskultur mit riesigen E-Mail-Verteilern;
dann stehen die Chancen auf so genannte psychologische Sicherheit und exzellente Team-Performance gut! „Ich finde es sehr wichtig, dass wir unseren Leuten diese emotionale Sicherheit geben können, denn es wäre nichts schlimmer, als wenn Leute versuchen, irgendwas zu vertuschen, was schiefgelaufen ist“, sagt Barbara in unserem Podcast-Interview.
Stärken erkennen, anerkennen – und dosieren
Nur eine Minderheit der Beschäftigten, das weist zumindest der neue Gallup Engagement Index aus, kann die eigenen Stärken im Job häufig einbringen. Die Mehrheit derer, die in Unternehmen arbeiten, macht bestenfalls Dienst nach Vorschrift – und/oder schaut sich schon nach was Neuem um. Erstmals ist der Anteil der mittelfristig Wechselwilligen (41%) in Deutschland größer als in den USA. In! Doitsch!! Land!!! Etliche Studien legen nahe, dass Menschen engagierter, zufriedener und genauer arbeiten, wenn sie ihre Stärken kennen und die Vorgesetzten diese anerkennen. Stärkenorientierung 1.0 ist es, wenn Führung Stärken benennen kann und den Menschen dabei hilft, diese auch auf die Straße zu bringen. Stärkenorientiertung 2.0 ist das, was Barbara Lax im Podcast-Interview sagt: „Manchmal kann man die Leute mit den eigenen Stärken auch überfordern, kann ihnen geradezu Angst machen.“ Um die möglichen Übertreibungen von Elan, Zuversicht, Genauigkeit oder anderen Stärken zu wissen, Stärken optimal moderieren, dosieren und ausbalancieren zu können, auch indem bewusst Menschen mit Stärkenprofilen in Projekte oder Teams geholt werden, die eher „kulturfremd“ sind: auch das ist wichtig.
Erziehung und Führung – fremd und doch verwandt
Erziehung und Führung? „Das ist alles sehr, sehr ähnlich, denn wir sind ja alle Menschen und wir sind ja auch alle noch Kinder und tragen diese ganzen Glaubenssätze mit uns herum aus Zeiten, in denen wir vielleicht anderes hätten brauchen können“, sagt Barbara Lax. Und wie soll eine oder einer Mitarbeitenden gegenüber Großzügigkeit und eine verzeihende Fehlerkultur walten lassen, wenn sie oder er permanent selbst unzufrieden mit sich ist? Die zumindest gelegentliche Innenschau, eine reflektierte und gutgemeinte positive Selbstführung: Sie macht positive Führung erst möglich oder zumindest leichter.
Positive Abweichung finden
Das läuft deshalb schief, jenes hat dieser verbockt: Darin sind viele Organisationen gut. Aber systematisch auch die Abweichung nach oben in den Blick nehmen, die „positive Devianz“ bewusst fokussieren: Das ist vor allem in jungen Unternehmen wichtig, wo es vielleicht noch nicht soooo viele greifbare Erfolge gibt und wo noch manches unrund läuft. Das kann in Meetings geschehen, das geht in Einzelterminen, das geht in Präsenz, das geht virtuell. Und das ist einerseits eine Haltung, die sich andererseits auch aus Handlungsroutinen ergeben kann – und andersherum.
Growth mindset stärken
Zuversicht und Wachstumsdenken ist gerade für junge, innovative, dynamische Firmen in ungewissen Umfeldern hilfreich. Und vor allem in Zeiten, die sowieso so viel Unbehagen und Umbruch mit sich bringen. „Das konnte ich schon immer, das lag mir noch nie“ – solches Denken kann eher einem so genannten fixed mindset entspringen. Ein wachstumsorientiertes „growth mindset“ würde bei Rückschlägen und Misserfolgen im Sinne der Forscherin Carol Dweck eher von einem „noch nicht“ sprechen. „Es war für mich unglaublich wichtig zu entdecken, dass ich auch Neues anfangen kann, Dinge lernen kann, mich reinarbeiten kann, etwas verändern kann – und nicht immer erst schauen muss, ob ich die richtigen Talent und Qualifikationen für dieses oder jenes habe“, sagt Barbara Lax. „Wenn mich etwas interessiert und ich genügend Passion dafür habe, dann kann ich das auch lernen. Das ist für mich auch ein Begriff von Freiheit.“
Wer mehr über mich wissen will
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Mit positiven Grüßen aus Garmisch-Partenkirchen
Christian Thiele
P.S.: Ihr macht/Sie machen das gut!