Stärken stärken im Job – Serie, Teil 7

CHRISTIAN THIELE

0  KOMMENTARE

Stärken stärken, Stress mindern

Stärken erkennen, nützen, ausbauen, bei mir und meinen Mitarbeitern: Darum geht’s in dieser Serie. Heute in Teil 7: Wie uns Stärken helfen können, weniger Stress zu erleben, aus stressigen Situationen schneller wieder aufstehen zu können – und das Stress-Niveau bei unseren Mitarbeitern zu senken.


Immer angespannt, weniger Raum für Pausen, ständig mehr zu tun, ständige Erreichbarkeit, weitere und weitere Anfahrtswege in die Arbeit – und, und, und. Geht es Euch auch so? Die Mehrheit der Deutschen erlebt das eigene (Arbeits-)Leben als immer stressiger, so eine ​große Studie der Techniker Krankenkasse. Die Folgen: Krankheiten, Ausfälle, Kündigungen, Fehler etc. etc.

Zum Glück scheint mit dem wachsenden Stress-Erleben auch das Bewusstsein für die Gefahren von dauerhafter Überlastung zu wachsen. Resilienz dürfte eines der Schlagwörter des Jahrzehnts werden, überall werden Bücher, Apps, Seminare zur Stressbewältigung angeboten und empfohlen.

Was aber viele nicht auf dem Schirm haben: Wie die Nutzung von Stärken den Umgang mit Stress leichter machen kann. Es gibt dazu noch nicht viele, aber doch ein paar aussagekräftige wissenschaftliche Studien. Und einiges an praktischen Vorschlägen. Deshalb dazu hier einige Tipps – für einen selbst und für die Führung von Mitarbeitern:

Stressgleichung kennen und nutzen:

Es gibt unterschiedlichste Arten, Stress zu definieren und zu begreifen. Der US-amerikanische Stärkenforscher Ryan Niemic hat ein tolles neues Buch geschrieben, auf das ich hier mehrfach eingehen werde und in dem er folgende simple Gleichung aufmacht: 

S = D – K

Stress = Druck – Kapazität (stress = pressure - capacity)

Sprich: Stress ist nicht die höhe der absoluten Belastung an sich. Sondern Stress ist die Belastung, wie wir sie im Verhältnis zu unseren Fähigkeiten, Möglichkeiten, Spielräumen erleben. Und hier kommen unsere Stärken ins Spiel: Ist der Druck enorm niedrig, liegen die eigenen Fähigkeiten, Stärken, Kompetenzen und sonstigen Kapazitäten deutlich darüber, dann sind wir – richtig, gelangweilt. Hohe Belastung bei gleichzeitig hohem Einsatz von Kapazitäten heißt: Wir sind im Flow, brennen für unsere Aufgabe(n). Hoher Druck, niedrige Kapazitäten hingegen bedeutet Stress. Ein Bewusstsein kann schon helfen, Stärken in belastenden Situationen nutzbar zu machen.

Stärken bewusster machen: 

Wie schon in dieser Serie erwähnt: Für unsere eigenen Stärken sind wir häufig blind, sie erscheinen uns als selbstverständlich oder als irgendwie subjektiv, nicht fassbar – während uns häufig die Stärken anderer objektiv und glasklar vor ins Auge springen. Der VIA-Stärkentest (kostenlos hier zu absolvieren) kann helfen, die Hauptstärken greifbarer zu machen – indem wir ihn selbst machen und/oder unsere Mitarbeiter dazu ermutigen. In obiger Liste sind die 24 VIA-Stärken nochmals aufgelistet, nur als Anregung – aber es gibt natürlich viel mehr Stärken. Mit diesen Fragen könnt Ihr Stärken bewusster machen:

  • Welche 4, 5 Haupt-Tätigkeiten habe ich gestern in der Arbeit geleistet (Meeting geleitet, Präsentation überarbeitet, Konflikt geklärt, schwieriges Kundentelefonat geführt etc.)
  • Welche meiner Hauptstärken konnte ich bei jeder dieser Tätigkeiten einbringen (z.B. Teamfähigkeit im Meeting oder Gerechtigkeit in der Konfliktklärung )?
  • Wie genau habe ich die Stärke eingesetzt?
  • Was war der Effekt, auf mich und andere?

Anhand von untenstehendem Test könnt Ihr Euch selbst abfragen, wie intensiv Ihr allgemein Eure Stärken kennt, nutzt und einsetzt:

Stärkenfokussiert loben:

"It gschimpfad isch globad gnua" – "Nicht geschimpft ist genügend gelobt": So sagt man im Allgäu, meiner Heimat. Ähnliche Sprüche kennt Ihr sicher auch – sie sind aber nicht hilfreich. Wer die Belastungen des Berufsalltages gut bewältigen will, braucht Anerkennung, Wertschätzung, Lob. Ein simples "Danke" oder "gut gemacht" ist schon mal nicht schlecht. Besser aber ist es, stärkenfokussiert zu loben, zum Beispiel: "Markus, wie Du die neue Spätschicht leitest, finde ich super. Du wirkst im Umgang mit Deinen Leuten total freundlich und kollegial, aber doch auch sehr klar und geradlinig. Damit entlastest Du mich, bist Deinen Mitarbeitern ein toller Vorgesetzter und bist auch für andere Schichtleiter ein echtes Vorbild. Danke!" Die Formel dafür wäre: 

  • Konkretes Verhalten benennen
  • mit einem Stärkenetikett versehe
  • nund den Nutzen dieser Stärke für mich, andere, das Team herausstellen

Stärkennutzung bei Stressoren planen:

Sonntagabend, kurz vor dem Tatort, ein kurzer Blick in die Wochenplanung: Bei mir stehen fünf Coachings und eine Führungskräfteentwicklung an, ich muss zwei Texte fertig schreiben und noch mindestens drei, vier längere Telefonate führen. Das! Wird! Stressig!

Wenn ich aber meine Stärken vorher miteinplane und mich vorab frage, welche meiner Stärken mir wobei helfen können (mein Einfühlungsvermögen, mein Humor und meine Erfahrung in den Coachings; mein Elan und meine Kreativität für die Arbeit mit der Führungsmannschaft; meine Erfahrung und mein Pragmatismus bei den Texten und meine Lösungsorientierung und Zuversicht für die stressigen Telefonate), dann fühlt sich die ach so stressige Woche gleich viel besser an. Fragt Euch also: 

  • Welche wichtigen Stressoren stehen in den nächsten Tagen an?
  • Wie können mir meine Stärken dabei helfen, diese zu bewältigen?
  • Woran merke ich dann, dass ich meine Stärken auf die Straße bringe? Und woran merken es andere?

Und natürlich kann diese Frage auch an die Mitarbeiter gehen.   

Gesünder leben – mit Stärkenfokus:

Gesundheit und damit Widerstandsfähigkeit gegen Stress lässt sich als ein Gebäude betrachten, das auf fünf Säulen ruht:

  • Sport/Bewegung
  • gesunde Ernährung
  • gesunder Schlaf
  • gesundes Sozialleben
  • Mäßigung

Jede dieser fünf Säulen lässt sich mit mindestens einer Stärke verbinden. So macht den regelmäßigen Sport vielleicht Deine Disziplin, Dein Durchhaltevermögen möglich, die gesunde Ernährung wird durch Deine Neugier, Deinen Wissensdurst gefördert, die mäßigende Fastenkur hat vielleicht mit Durchhaltevermögen, Bescheidenheit oder Disziplin zu tun etc. Wie also unterstützen Deine Stärken Dich bei einer gesunden Lebensweise? Und wie könnten sie Dich noch mehr unterstützen, wie könntest Du sie für diesen Zweck noch besser, häufiger nützen?

Stärke(n) geistig wegrechnen: 

Ich sags gleich vorneweg, ich halte von dieser Methode wenig. Denn warum und wie sollte ich meinen Humor, meine Kreativität oder meinen Elan einfach aus meinem Leben streichen, auch nur geistig? Weil aber erstens viele Vertreter der Positiven Psychologie auf diese Methode schwören und ja vielleicht zweitens die/der eine oder andere von Euch mit ihr etwas anfangen kann, sei sie hier kurz vorgestellt:

  • Führt Euch eine stressige, schwierige Situation vor Augen
  • Welche Eurer drei, fünf wichtigsten Stärken helfen dabei, diese zu bewältigen?
  • Jetzt mal angenommen, Ihr müsstet diese Situation ohne diese Eure Hauptstärken meistern – wie wäre das?
  • Welche Konsequenzen hätte das für Euch und für andere?
  • Jetzt, wo Ihr die Stärke aus der stressigen Situation quasi mental subtrahiert habt – wie geht es Euch jetzt?
  • Wie erlebt Ihr die Situation jetzt?

Stärken neu nutzen:

Angenommen, ich bin sehr strukturiert, genau, gründlich: Wie könnte ich diese Stärken im Berufs- oder Privatleben auf eine andere, neue Weise nutzen als bisher? Was würde sich dadurch ändern, wenn ich diese in anderen Kontexten genutzte Stärke auch für diese Situation nutzen könnte? Auch diese Übung des ansonsten sehr geschätzten Jonathan Haidt fällt mir persönlich schwer – aber da mag es ja jedem anders gehen. Wie seht Ihr's? Ich freue mich auf Feedback von Euch.

Stärkenbrille aufsetzen – immer und überall:

Wenn wir in der Politik-Talkshow sehen, wie sich Parteichefin X oder Kandidat Y immer wieder gegen Angriffe zur Wehr setzt. Wenn wir beim Abholen vom Hort feststellen, wie freundlich sich unser Kind von seinen Spielkameraden abholt. Wenn wir der Vorgesetzten bei der Präsentation zuhören und merken, wie viel Detailgenauigkeit, Fachwissen und Klarheit da drinsteckt: Es gibt jeden Tag etliche kleinere und größere Möglichkeiten, Stärken wahrzunehmen. Häufig fällt es uns bei anderen leichter als bei uns selbst, aber damit wäre ja schon mal ein Anfang gemacht! 

Podcast "Positiv Führen"

In meinem Podcast „Positiv Führen“ geht es ab 13. Februar auch um Stärken – ​könnt Ihr hier abonnieren, liken, sharen etc. 

Und wenn Ihr Feedback, eine Frage oder sonstwas für mich habt – gerne mailen! 

Ciao, Servus, bis bald

Christian

Sei der Erste, der den Beitrag teilt!

Christian Thiele

ÜBER DEN AUTOR

Mehr Leistung, Freude, Gesundheit und Sinn, mit den Methoden der Positive Leadership: Darum geht es mir in meiner Arbeit als Coach, Trainer, Teamentwickler und Vortragsredner. Für Führungskräfte, Teams und Organisationen. Verliebt, verlobt und bald verheiratet mit Christiane. Vater. Skitourengeher.

Das könnte Ihnen auch gefallen: 

{"email":"Email address invalid","url":"Website address invalid","required":"Required field missing"}
>