Wofür?
Die „Nordsibirische Eisenbahn“ (nach der Abkürzung für die englischen Übungsschritte Stopp, Breathe, Notice, Reflect, Respond) ist eine Übung von Chade-Meng Tan, dem Erfinder des Google-Programmes „Search Inside Yourself“ und Autor des gleichnamigen – witzigen, schlauen, sehr lesenswerten – Buches. Sie stärkt Achtsamkeit, Selbstregulation und Resilienz, vielen Menschen hilft sie in Situationen von Ärger, Wut, Stress oder anderen unangenehmen Gefühlen dabei, zu entspannen, runterzukommen, Geist und Körper intensiver zu spüren, Konflikte zu deeskalieren.
Ich habe die Übung leicht abgewandelt und nutze sie gerne in Coachings, Führungskräftetrainings, Seminaren. Meine Freundin sagt, ich sollte sie auch häufiger für mich selbst nutzen – hiermit versprochen! Sie stärkt, wie andere Achtsamkeits-Übungen, das Wohlbefinden, erhöht die Denk- und Problemlösungsfähigkeiten, kann Schmerzempfindungen lindern, bei Essstörungen helfen, Konflikte lindern. Und und und. Eine Übersicht über einige wichtige Studienergebnisse zu Achtsamkeitsübungen findet sich hier.
Wann?
Morgens nach dem Aufstehen, Abends vor dem Einschlafen, nach dem Mittagessen: Es ist gut, wenn Sie die Nordsibirische Eisenbahn regelmäßig üben, zwei, drei Mal die Woche oder gar täglich. Aber Sie können sie auch einfach nur dann machen, wenn sie Ihnen in den Sinn kommt. Vor allem ist sie hilfreich in Momenten von Ärger, Stress, Wut, wenn der Puls rast, die Atmung flach wird, stark verurteilende oder vorwurfsvolle Gedanken Ihre Aufmerksamkeit beherrschen.
Wo?
In der U-Bahn, im Flugzeug, daheim, im Büro: die Nordsibirische Eisenbahn funktioniert überall.
Wie lange?
Die Übung dauert 5 bis 7 Minuten, sie klappt allerdings auch in 20 Sekunden – je nachdem, wie viel Zeit Sie dafür haben (wollen).
Wie?
Hier nun die konkrete Anleitung für die Nordsibirische Eisenbahn:
- Akzeptieren Sie Ihre Gefühle. Fühlen Sie sich nicht schlecht, weil Sie sich schlecht fühlen. Empfindungen sind mal angenehm und mal unangenehm, sie gehören zum Leben.
- Halten Sie inne. Schaffen Sie sich das, was Chade-Meng Tan die „geheiligte Pause“ nennt. Zählen Sie innerlich bis 10, gehen Sie auf die Toilette oder tun Sie sonst irgendetwas, das Ihnen gerade möglich ist und einen Moment der Distanz zwischen Ihnen und Ihren unangenehmen Empfindungen schafft.
- Atmen Sie drei, vier bewusste Atemzüge. Spüren Sie, wie der Atem durch Mund oder Nasenflügel einströmt, wie er sich im Bauchraum, in der Lunge, in den Flanken breitmacht. Und atmen Sie bewusst aus.
- Beobachten Sie das negative Gefühl, die Wut, den Ärger, die Enttäuschung oder was auch immer. Wo genau sitzt es in Ihrem Körper? Sorgt es für Druck, Spannung, Enge, Hitze – oder etwas ganz anderes? Hat das Gefühl vielleicht eine Farbe, eine Form, einen Sound, einen Geschmack? Ist es immer gleich stark, oder kommt es in Wellen? Betrachten Sie die Empfindung möglichst wertfrei, wie ein neugieriger Forscher.
- Jetzt ist Nachdenken angesagt. Wenn Sie sich über jemand anderen geärgert haben, machen Sie sich klar: Die wenigsten Menschen sind blöd, fies oder kriminell. Jedes Handeln hat Gründe, alle wollen glücklich sein. Wenn Sie reagieren wollen auf die Handlung oder Aussage , die der negativen Empfindung vorausgegangen ist: Was wäre die gütigste, verständnisvollste, klügste Reaktion – ohne freilich, dass Sie die auch anwenden müssen?
- Ankommen im Hier und Jetzt: Nehmen Sie ein, zwei tiefe Atemzüge, spüren Sie den Boden unter den Füßen, ballen Sie Fäuste zwei, drei Mal und strecken Sie danach jeweils die Finger weit aus. Fertig!
Viel Freude und Erfolg dabei!
Mit positiven Grüßen
Christian Thiele
P.S.: Sie machen das gut!