Was Positive Führung ist, nicht ist, will, braucht

CHRISTIAN THIELE

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Für meinen Podcast „Positiv Führen“ durfte ich für die aktuelle Folge Prof. Dr. Alexander Hunziker von der Fachhochschule Bern interviewen. Er ist ausgewiesener Experte für Positive Leadership und Autor des sehr lesenswerten Buches "Positiv Führen". Einige für mich besonders wichtige Erkenntnisse aus der Auseinandersetzung mit ihm fasse ich hier zusammen.

Was Positive Führung ist

"Positive Leadership ist ein Führungsansatz, der durch systematische Konzentration auf menschliche Stärken freudvoll herausragende Resultate erreichen will." So definiert Hunziker in seinem Buch Positive Leadership. 

  • Systematisch heißt dabei für mich: Mit Plan und auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse aus Positiver Psychologie, Arbeits- und Organisationswissenschaften, Betriebswirtschaft, Neurowissenschaften etc. – das unterscheidet positives Führen als evidenzbasierten Ansatz von eminenzbasierten Konzepten der Führung ("Führen wie Elon Musk", "Führen wie die Huberbuam", "Führen wie die Giraffen"...).
  • "Konzentration auf menschliche Stärken" bedeutet das bewusste Eintreten dafür, dass Qualitäten der Einzelnen erkannt, anerkannt und regelmäßig zum Einsatz gebracht werden können (im Job).
  • "Freudvoll" steht für das Anzapfen gesunder innerer Motivationspotenziale – statt immer nur über Angst, Druck, Deadlines, Prämien oder sonstige Hebel externaler Motivation zu führen. Die bewirken nämlich in der Regel wenig, zumindest langfristig.
  • "Herausragende Resultate" bedeutet, dass Positive Leadership durchaus für Exzellenz und Höchstleistung steht – qualitativ und quantitativ, je nachdem.

"Eine Professionalität zu entwickeln im Umgang mit dem, was gut ist" – so fasst Hunziker Positive Leadership im Gespräch. Das heißt natürlich nicht, dass die Dinge, die nicht funktionieren, die Fehler und Mängel, einfach ignoriert werden. Aber die dunkle Seite der Dinge wird ja sowieso in aller Regel gründlichst beleuchtet – schon allein auf Grund der tendenziell hohen Ansprüche vieler Führenden, auf Grund der uns allen anhaftenden Negativitätsverzerrung etc. Um dem entgegenzuwirken, setzt Positive Führung systematisch einen Gegenakzent. 

Was Positive Leadership NICHT ist

Das vielleicht häufigste Missverständnis über Positive Führung: Die oder der Vorgesetzte müsse immer und zu allen immer nur nett sein. Ein Teil davon ist wahr, nämlich dass häufiges und intensives "Nett-sein" von Führenden die Grundlage schafft für

  • positive Emotionen
  • Flow und Stärkenorientierung
  • gute und vertrauensvolle Beziehungen
  • das Erleben von Sinnhaftigkeit
  • das Aufstellen, Wahrnehmen, Feiern und systematische Replizieren von Erfolg.

Aber gleichzeitig müssen auch immer wieder Grenzen gesetzt werden, Schwierigkeiten angesprochen werden – und gelegentlich ist bei schweren Verstößen und/oder nach ausgiebigen Verbesserungsbemühungen auch die Trennung von Mitarbeitenden unvermeidlich. Aber auch diese schwierigen Seiten von Führung lassen sich entspannter und leichter bewältigen, wenn systematisch auf Freundlichkeit und Positivität gesetzt wird.

Positive Führung braucht Herz, Hirn, Hand

Tools und Tipps – sind ein wichtiger, aber eben auch nur ein Teil von Positiver Führung. Ein anderer Teil ist Wissen, wie etwa 

Und drittens ist Positive Führung eine Frage der Haltung, der Einstellung. Weil aber Haltung, Verhalten und Instrumente einander gegenseitig bekräftigen, ist es vielleicht auch wiederum egal, an welcher Schraube man zuerst dreht...

Richtung schlägt Niveau

In meinen Seminaren und Coachings werde ich von Führungskräften oft gefragt: "Was mache ich, wenn meine Vorgesetzten mit Positiver Führung so gar nix am Hut haben?" Und ich kann ja bestenfalls nur ahnen, wie schwer es ist, in schwierigen Rahmenbedingungen positiv zu führen, in einem Umfeld, das Druck und Zwang und Kontrolle gewohnt ist. Sicher ist es viiiel einfacher, Positive Führung da umzusetzen, wo es Unterstützung und Rückenwind von ganz oben gibt. 

Aber gleichzeitig ist mir jetzt auch im Gespräch mit Alexander Hunziker noch mal klar geworden: Die Richtung ist wichtiger als das absolute Niveau. Wer also etwa

  • in einem sehr defizitorientierten Kontext seine Meetings mit einem positiven Fokus beginnt;
  • wer in die Mitarbeitergespräche mit etwas mehr Stärkenbrille als bisher geht; 
  • wer sich mit den Mitarbeitenden über deren, die eigenen und die Werte der Organisation in den Diskurs geht;

die oder der kann gerade da mit kleinen Schritten schon enorm viel bewirken! Im Dunkeln leuchtet die Kerze einfach heller als am Tag...

Auf Achtsamkeit achten

Bevor Sie weiterlesen – ganz kurz mal drei tiiiiefe Atemzüge – ein, aus. 

Einatmen, ausatmen. 

Ein. At. Men. Und. Aus. At. Men. 

Danke!

Achtsamkeit, dazu hat Hunziker auch publiziert, kann die Qualität von Führung deutlich verbessern. Denn in all den Ungewissheiten und Umbrüchen der letzten Jahre müssen Vorgesetzte auch noch Orientierung bieten für die Mitarbeitenden, müssen klar denken, empathisch kommunzieren, gut entscheiden und und und. Zu den nachgewiesenen Effekten von Achtsamkeit zählen unter anderem

  • geringeres Stresserleben,
  • schnellere Erholung von Belastungen,
  • besseres und längeres Konzentrationsvermögen, 
  • höhere Innovationskraft und Kreativität, 
  • positiveres Teamverhalten, 
  • stärkerer Lösungsfokus
  • konstruktiverer Umgang mit Konflikten
  • bessere Verhandlungsergebnisse etc.
Alles ja nicht ganz verkehrt für Führende, oder? Wenn sich gerade Führende in all den Belastungen, denen sie ausgesetzt sind, immer wieder kleine Freiräume verschaffen können, dann tun sie sich nicht nur selbst einen Gefallen, sondern auch den von Ihnen geführten Mitarbeitenden, ihren Organisationen, aber auch Kundinnen, Lieferanten, Bewerbenden etc. da draußen. Wer da mehr wissen und erfahren will: In Hunzikers "Mindful Business Club" geht es übrigens genau darum.

Mal über, mal unter dem Radar…

Alle Veränderungen kann man mit offenem Visier angehen – aber auch subversiv, schlitzohrig, unter dem Radar. Man kann auch, zum Beispiel als Coachin oder Berater, ein stinknormales Führungsseminar geben und über Stärken, positive Emotionen, psychologische Sicherheit etc. reden, ohne dass unbedingt in Neonbuchstaben "positive Leadership" drüberstehen muss. Die Erfahrung durfte ich auch schon in sehr traditionellen Organisationen machen – da ist dann die Rückmeldung am positivsten und die Gaudi am größten...

Im Schatten das Gold finden

Warum funktioniert und funktioniert die Produkteinführung nicht? Ein echtes Thema aus einem echten Unternehmen. Der typische, konventionelle Ansatz: 

  • Man macht Befragungen zum Symptom, 
  • erstellt Problemanalysen, 
  • katalogisiert die Fehler und Ursachen der Pannen, 
  • stellt Verbesserungspläne auf, 
  • bestraft eventuell irgendwen – und so weiter und so fort. 

Das ist auch nicht grundsätzlich verkehrt, das so zu machen – aber es passiert eben häufig sowieso zu genüge und hebt nicht unbedingt die Stimmung. Und verhindert eben nur die Wiederholung von Fehlern, bestenfalls – fördert aber nicht das Entstehen von Herausragendem.

Wieso dann nicht mal nach der positiven Abweichung suchen? Wieso nicht mal – zum Beispiel – die Mitarbeitenden fragen: "Wann hattest Du im letzten halben Jahr Deinen besten Arbeitstag? Was genau ist da passiert?" Und aus den Antworten auf diese Fragen die Essenz von Exzellenz in der eigenen Organisation finden.  Oder eben zu fragen: Welche Produkteinführung hat den gut funktioniert? Wer war daran beteiligt? Was waren die Erfolgsfaktoren? Auch Kim Cameron schreibt immer wieder über die positive Abweichung – das lohnt sich nachzulesen und anzuwenden. Denn wird aus Glückstreffern und Zufallserfolgen auch systematisch replizierbares Gelingen. Viel Erfolg und Spaß dabei!

Wer mehr über mich wissen will

Hier einige Angebote von mir, wenn Sie zu positiver Psychologie im Job und Positive Leadership mehr von mir hören, lesen, wissen, erleben wollen:

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Mit positiven Grüßen aus Garmisch-Partenkirchen

Christian Thiele

P.S.: Ihr macht/Sie machen das gut! 

Haufe: Positiv führen. Stärken erkennen und nutzen.

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Christian Thiele

ÜBER DEN AUTOR

Mehr Leistung, Freude, Gesundheit und Sinn, mit den Methoden der Positive Leadership: Darum geht es mir in meiner Arbeit als Coach, Trainer, Teamentwickler und Vortragsredner. Für Führungskräfte, Teams und Organisationen. Verliebt, verlobt und bald verheiratet mit Christiane. Vater. Skitourengeher.

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