Mal ehrlich: In wievielen Projekten, Arbeitskreisen, Aktionsgruppen, Initiativen oder in agilitätsdeutsch: work streams, subject groups, squads und tribes sind Sie oder Ihr Team mit dabei? Und jetzt noch mal ehrlicher: Hätten Sie gerne mehr davon? Oder weniger? Eben!
Die meisten Organisationen sind extreeeem gut darin, Neues anzufangen. Und tun sich extreeeeeem schwer damit, Altes aufzuhören.
Die Folgen: organisationaler und individueller Burnout, rasender Stillstand, Probleme bei Qualität, Produktivität, Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit. Undundund. Hier deshalb ein paar Tipps zum Schlussmachen, Ausmisten, Aufhören, Weglassen.
Woher kommt der Projektpomp?
Digitalisierung, Globalisierung, die Forderungen von Kapitalmarktinvestoren: Das dürften Hauptursachen des chronischen Zuviels sein.
Weil viele Organisationen schlanker geworden sind, sprich: mehr Leute heute das gleiche wie oder mehr als gestern machen müssen , steigt der „Kannst-Du-das-auch-noch-machen“-Druck auf die Verbliebenen häufig.
Nein sagen? Geht in vielen Unternehmenskulturen gar nicht. Erst recht nicht, wenn der Bonus der Chefin oder des Chefs davon abhängt, was sie oder er alles neu anzettelt – und nicht davon, was sie oder er streicht, kürzt, gar nicht erst anfängt. Und dann gibt es da noch die so genannte impact blindness: Gerade in Matrix-Organisationen haben Führende gar nicht den Überblick darüber, was Ihre Mitarbeiter eigentlich so alles machen und was diese Initiative oder jenes zusätzliche Projekt für sie bedeutet.
So viel also zu den Ursachen der Initiativenfülle. Dabei gäbe es so viele gute Gründe, gegen sie anzugehen.
Projektdiät – wozu?
Steve Jobs soll einmal gesagt haben, er sei mindestens so stolz auf alles, was Apple mache, wie auf all das, was Apple nicht mache.
Denn das Projekte abzuschaffen oder gar nicht erst anzufangen hat für Viele viele unterschiedliche Vorteile:
* Wer für weniger zuständig ist, macht das häufig mit mehr Leidenschaft.
* Wer zufriedener, weniger gestresst und gesünder in die Arbeit kommt, macht bei potenziellen Bewerbern eher Werbung für sein Unternehmen.
* Organisationen, die sich auf weniger Projekte, Prozesse, Produkte fokussieren, machen diese in der Regel besser, effektiver und rentabler.
Initiativen stoppen oder gar nicht beginnen – 6 Tipps:
Wie das organisatorische Entschlacken wirklich gehen kann – dazu liefert Positive Leadership einige Ideen:
* Stärkenfokus: Von den Dingen, die wir tun – wo kann ich, wo kann mein Bereich, wo können wir als Ganzes wirklichen Mehrwert leisten? Worin sind wir richtig gut? Und wo könnten wir unsere PS mehr auf die Straße bringen, wenn wir mehr Luft dafür hätten?
* Energiebilanz: Welche Initiativen und Projekte ziehen mehr Energie als sie produzieren, was fühlt sich irgendwie falsch an? Solche Projekte und Initativen nach einer gleichsam konstruktiven wie kritischen Inventarisierung als erstes stoppen! Alle werden ausatmen!!
* Quartalsputz: Unternehmen sollten sich mindestens vierteljährlich fragen, ob all ihre Initiativen noch sinnvoll und notwendig sind – und wo entschlackt werden kann. Manches merkt eh niemand, wenn es nicht mehr angeboten oder geleistet wird.
* Sollbruchstellen: „Wenn wir bis Mittag nicht an der Alm vorbei sind, schaffen wir es auch nicht mehr sicher auf den Gipfel und kehren dort um.“ Umkehrzeitpunkt heißt das bei uns Bergsteigern. So ähnlich sollten Sie Sollbruchstellen einbauen. Wenn wir bis X nicht Y erreicht haben, dann lassen wir’s eben.
* Lernkultur: Psychologische Sicherheit bedeutet unter anderem, dass Initiativen auch mal schief gehen, Projekte misslingen dürfen, damit man aus ihnen lernen kann. Führende haben hier einen großen Einfluss auf die Wahrnehmung von Beendetem und Eingestelltem, Sie sollten also Misserfolge eher als Lernerfahrungen verstehen statt immer mit dem Zeigefinger auf „Schuldige“ zu zeigen.
* Leichenschau: Wenn jemand stirbt, kommt der Arzt und überprüft, ob die Person auch wirklich tot ist. Für manche Projekte, die eigentliche eingestellt sind, wäre das auch hilfreich. Denn häufig gibt es für sie noch Mailverteiler, Budgets, Organigramme – oder gar Meetings. Das saugt Zeit, Energie, Geld. Beendete Projekte also wirklich beenden, notfalls auch mit würdiger Grabrede. Dann geistern sie nicht als Zombies weiter durch die Kellergewölbe der Organisation.
Liebe Positiv Führende, welche Erfahrungen haben Sie/habt Ihr mit dem Beenden von Projekten gemacht? Was klappt, was ist zu beachten? Ich freue mich über Ihre Kommentare und Tipps!
Herzlich
Christian Thiele
P.S.: Sie machen das gut!