Gibt es eine Ressource, die Organisationen mit weniger Aufmerksamkeit betrachten als die Meetings? Ich glaube nicht… Deshalb habe ich für die aktuelle Folge meines Podcasts „Positiv Führen“ mit Prof. Dr. Simone Kauffeld gesprochen – sie lehrt und forscht an der Technische Universität Braunschweig, insbesondere zu Meetings. Sie hat auch ein sehr wichtiges und lesenswertes Buch zu dem Thema geschrieben, das ich unbedingt empfehle („Meetings. Grundlagen und Empfehlungen für eine effiziente Gestaltung“, Kohlhammer Verlag 2022). Hier einige Anregungen, wie ihr die typischen Meetingkrankheiten vermeiden und bessere Besprechungen planen, leiten, nachbereiten könnt:
Das Wofür (er)klären
Austausch; Meinungen diskutieren; Dinge entscheiden: Das sind sinnvolle Anlässe für ein Meeting. Geht es aber nur darum, Zahlen, Daten, Fakten zu verkünden – bringt dann ein Meeting den besten ROTI („return on time invested“)? Oder wäre nicht ein Video, eine (weitere, ich weiß schon…) Mail manchmal die bessere Alternative? Ich frage ja nur…
In Pizzaschachteln rechnen
Meetings können einen enorm wichtigen Raum des Austausches und der Kooperation schaffen – wenn sie gut laufen. Das Große Ganze erklärbar machen, Sinn und Miteinander stiften, den Teammitgliedern eine Stimme geben, all das kann in Meetings geschehen. Aber viele Meetings haben ein Quantitäts- und ein Qualitätsproblem: Das mittlere Management verbringt Studien zufolge häufig schnell die Hälfte der Arbeitszeit mit Besprechungen – gehobene Führungskräfte vermeeten teilweise 90 Prozent ihrer Arbeitswoche, vor allem in Großkonzernen. Dann ist es mal besser, wenn die Einladungspolitik sorgfältig gehandhabt wird. Steven Rogelberg – ein anderer großer Meetingforscher – hat mal ermittelt, dass mindestens in jedem zweiten Meeting mindestens zwei Personen sitzen, die sich fragen, was sie dort eigentlich sollen.
Also überlegt Euch vorab:
- Wer muss wirklich dabei sein im Meeting?
- Wer muss nur zu bestimmten Punkten dabei sein?
- Und wer muss informiert werden über die Ergebnisse?
Nie mehr Teilnehmende, als zwei Pizzaschachteln füttern können – diese Meeting-Politik fährt (angeblich) Amazon-Gründer Jeff Bezos. Simone Kauffeld sagt: „Ich würde sogar noch eher runtergehen. Für problemlose Zusammenarbeit in Gruppen weiß man, dass eine gute Größe so fünf bis sieben Mitarbeiter sind – zwölf wären schon relativ viel. Da werden schon einige dabei sein, die nicht unbedingt dazu beitragen können, aber vielleicht informiert sein müssen.“ So viel zur Quantität. Und zwar Qualität? Nun ja, nicht mal die Hälfte der durchschnittlichen Meetingteilnehmenden ist mit der Qualität der Besprechungen zufrieden. In manchen Unternehmen gelten Meetings bereits als ein echtes Gesundheitsrisiko. Das solltet Ihr bitteschön verhindern!
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Agenda, Raum, Material vorbereiten
- WAS soll angesprochen/bearbeitet werden?
- WO ist ein angemessener Raum für das Meeting?
- WELCHE Technik und Materialien braucht es sinnvollerweise?
- WIE soll gemeetet werden? (Sitzungen brauchen, schreibt Kauffeld in ihrem Buch, im Durchschnitt 34 Prozent länger als, äh: Stehungen.)
- WAS braucht es für Visualisierung?
- WIEVIELE Meeting-Kekspackungen, äh: vernünftige Verpflegungsleckereien machen Sinn?
Positiv starten
Direkt reinrumpeln, am besten in die Schmerzthemen? Nein, lieber nicht. Meetings, die bewusst fröhlich, lösungsfokussiert, mit einem Erfolgserlebnis (und pünktlich!!!) starten, fördern die positiven Emotionen – und machen einen effizienteren, produktiveren Besprechungsverlauf wahrscheinlicher. Kauffeld empfiehlt sogar bewussten Pre-Meeting-Talk: „Eher ein bisschen Smalltalk vorneweg, keine Aufgabenbezogene Kommunikation, sondern eine Atmosphäre, die dafür sorgt, dass jeder ins Reden kommt und weiß, ich bin hier willkommen, ich bin hier gern gesehen, mein Beitrag ist gewünscht.“ Und für die allfällige Jammerei schlägt sie feste Nörgelzeiten vor, in denen die Mitarbeitenden ihren Frust über dieses und ihre Klagen über jenes abladen können – um sich nach der festgelegten Meckerzeit wieder mit den Lösungen zu befassen. Vielleicht auch was für Euch?
lnklusiv moderieren
Sagen nur die etwas, die eh immer zu allem etwas zu sagen haben (häufig Männer)? Oder sagen auch mal die was, die eigentlich echt was zu sagen hätten (Introvertierte, Gründliche, Frauen…)? Gute Moderation kann und soll platzhirschiges Dominanzverhalten in Meetings einbremsen – und dafür sorgen, dass möglichst alle mal zu hören sind. Notfalls geht das auch in Kleingruppen, in Präsenz oder im digitalen Breakout.
Weder über- noch unterstrukturieren
Endloses Gelaber in Wiederholungsschleifen ist das eine Extrem – ein gnadenloser Ritt durch die Agenda, ohne Punkt und Komma, ist das andere. Beides am besten vermeiden.
Mach mal Pause…
…wenn das Meeting länger als eine Stunde dauert (wovon eh abzuraten ist). Frische Luft, Bewegung, Koffein, all das kann Schwung in festgefahrene Positionen bringen.
Moderation rotieren
Wenn ich in Seminaren und Workshops frage, wer üblicherweise die Meetings moderiert, ist die Antwort fast immer die gleiche: die zuständige Führungskraft. Das kann auch sinnvoll sein – aber sollte nicht zur blinden Standardroutine werden. Rotierende Moderation kann
- die Moderationskompetenz der Teammitglieder stärken
- die/den ChefIn entlasten
- frischen Wind reinbringen.Warum also nicht mal die Führungsrolle im Meeting abgeben, zumindest zeit- und probeweise?
Nach der Sitzung ist vor der Sitzung
Todos festhalten, möglichst mit Namen und Datum; Vereinbaren, wer wann auf die ToDos draufschaut (ob sie auch wirklich nachgehalten wurden); das kann helfen, dem Meeting-Frust – viel gelabert, wenig geleistet – entgegenzuwirken.
Meeting-Kultur evaluieren
Mit (anonymen) Voting-Tools könntet Ihr doch mal fragen: Wie findet Ihr, von grottig bis genial, unsere Meetings? Was sollten wir starten, was beibehalten, was weglassen? Welche Spielregeln hülfen für bessere Meetings?
Meeten lernen, üben, trainieren
Besprechungen, betont Simone Kauffeld, sind Situationen, die Führung erlebbar machen. Dann wäre es doch gut, wenn Ihr als ChefIn Bücher lest, CoachInnen konsultiert, Workshops besucht, um Eure Meetingkultur zu reflektieren – und da, wo es nötig scheint, zu verbessern, oder? Viel Glück und Gaudi dabei!
Über mich
Ich will mehr Gelingen und Glück in die Arbeit bringen – mit Seminaren, Coachings, Workshops, Keynotes zu positiver Führung. Für Führende, Teams, Organisationen. Wissenschaftlich fundiert und umsetzungsorientiert, auf Grundlage der Erkenntnisse und Tools von Positiver Leadership und Psychologie. Wem der Artikel gefallen hat und mehr von/über mich wissen mag: Mich gibt’s auf Xing, LinkedIn, auf meiner Website – und in meinem Podcast „Positiv Führen“, alles unter www.positiv-fuehren.com. Wer Fragen/Interesse hat: gern melden!
P.S.: Ihr macht/Sie machen das gut!