Jahresgespräche positiv(er) führen – 8,5 Tipps

CHRISTIAN THIELE

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Der Unterschied zwischen Jahresgespräche und Pickeln? Sie gehen irgendwann vorbei. 

Die Gemeinsamkeit zwischen Jahresgesprächen und Pickeln? Sie kommen wieder. 

Die Jahresgespräche stehen für Viele von Euch in diesen Tagen und Wochen an. Sie sind nach meiner Erfahrung ähnlich beliebt wie Pickel – bei vielen zumindest. Eine lästige Pflicht, ein hohles Ritual, ein überkomplexer Prozess – so werden sie häufig empfunden.

Schade eigentlich, denn sie können ein superhilfreiches Instrument des Dialogs und der Führung sein. Hier ein paar Impulse dazu, wie es besser gehen kann, mit den Mitarbeitendengesprächen:


1. Ausreichend Zeit nehmen, guten Rahmen setzen

Ich hatte mal einen Chef, der hat während des Jahresgespräches mit mir zweimal die Sekretärin (die hieß damals auch wirklich „Sekretärin“) hereingebeten. Außerdem drei Anrufe – „nur ganz kurz!“ – angenommen. Und dann auch noch – „Du sorry, ist was wichtiges dazwischengekommen“ – den Termin abgebrochen und neu angesetzt. So oder ähnlich zeige ich als Führungskraft mit aller Deutlichkeit: Interessiert mich nicht, ist mir nicht wichtig, weder die Person noch die Themen. Terminiert das Gespräch so, dass beide Seiten Zeit haben (am besten mit Puffer) und ungestört sind. Seid ein:e gute:r Gastgeber:in für das Jahresgespräch – das schafft schon mal positive Emotionen und erhöht die Chancen auf einen guten Dialog!


2. Auch innerlich vorbereiten

In vielen Teams wird remoter gearbeitet als 2019, die persönlichen Begegnungen zwischen Führungskraft und Teammitgliedern sind häufig seltener geworden. Umso wichtiger und wirksamer kann diese Gelegenheit für einen ungestörten Austausch sein. Bereitet Euch ein wenig vor, etwa mit Fragen wie: Was hat mir im vergangenen Jahr (oder seit wir das letzte Mal ausführlich miteinander gesprochen haben) gut gefallen? Was hat sich verändert? Wie sind wir beide damit umgegangen? Was schätze ich eigentlich an Hülya, Helmut oder wer auch immer gegenübersitzen mag? Wie empfinde ich unser Verhältnis? Und was würde ich mir noch mehr, anders, besser wünschen?


3. Stärken sehen und stärken

Studien legen nahe, dass sich nur ein Bruchteil der Schüler:innen von Lehrkräften in den eigenen Fähigkeiten, Stärken, Qualitäten gesehen fühlt – und die Zahlen werden im Laufe des Arbeitslebens offenbar nicht besser. Was macht Mitarbeiterin X oder Mitarbeiter Y besonders gut, was ermöglicht sie oder er dadurch? Welche Aufgaben erfüllt sie:er aus Eurer Sicht besonders gut, welche Stärken werden dadurch sichtbar? Und wie könnten diese Stärken noch stärker auf die Straße gebracht werden? Ein Schuss Stärkenfokus schadet – gerade in Zeiten der „Great Resignation“ und der zunehmenden Fachkräftenot – keinem Jahresgespräch! Und in der Regel ist es auch lohnender und motivierender, die Stärken auszubauen, als an den Macken, Mängeln, Malaisen herumzudoktern.


4. Möglichst keine (negativen) Überraschungen

Das heißt nicht, dass Kritik nicht sein darf. Aber sorgt dafür, dass Ihr mit Tadel möglichst nicht überrascht – das führt häufig nur zu Abwehr- oder Angriffsreflexen. Dinge, die Euch nicht gefallen oder die schiefgelaufen sind, möglichst unmittelbar und notfalls mehrfach ansprechen. Und damit nicht erst im Jahresgespräch um die Ecke kommen.


5. Ziele mit Zug formulieren, kommunizieren und erlebbar machen

Ich schaffe an, du unterschreibst, und das nennen wir dann „Zielvereinbarung“: So läuft es leider noch in viel zu vielen Organisationen. Und dann wundert man sich, warum niemand für die von den Vorgesetzten vorgesetzten Ziele brennt… Ziele und erlebbarer Fortschritt hin zu Zielen können echte Motivationstreiber sein – wenn die Ziele beim Fokussieren helfen und wenigstens teilweise selbst generiert statt aufgedrückt sind. Die #okr-Methodik (pro Person in etwa drei weiche Ziele, „objectives“, und pro objective drei bis fünf härtere, messbare Richtungsanzeiger, „key results“, pro Zyklus), wurde bei Intel entwickelt und durch Google weltbekannt. Sie kann dabei hilfreich sein, Ziele mit Zug aufzustellen, zu verfolgen und zu erreichen.


6. Empfangen ist wie senden – nur krasser

Höre ich zu, um die Pause zu überbrücken, bis ich wieder was sagen werde? Oder höre ich zu, um die/den anderen zu verstehen? Viele Führungskräfte reden, reden und reden – nicht nur, aber auch im Jahresgespräch. Wie wär’s mal mit bewusst mehr Fragen und Zuhören? Das kann helfen, um Dinge auf den Tisch zu bringen, die ansonsten verborgen bleiben.


7. Geiz ist ungeil

Ich rate eher davon ab, Boni und Prämien im Jahresgespräch zu verkünden und zu diskutieren. Das führt leicht zu einem permanenten „Overselling“ durch die Mitarbeitenden und einem „Drücken“ durch die Führungskraft. Die Chance auf einen guten, echten Austausch? Damit dahin. Trennt am besten die Verkündung von Gehalts- oder Prämienrelevantem vom Mitarbeitergespräch. Und wer in diesem Jahr, wo alles so viel teurer geworden ist, den Mitarbeitenden keine fairen Gehaltsverbesserungen anbieten kann, darf sich wahrscheinlich bald neue suchen, denn so ist die Arbeitsmarktlage in vielen Branchen. Besonders in den unteren Einkommens- und Gehaltsklassen ist Geld mehr als nur ein Hygienefaktor, gerade in Zeiten von Inflation und Unsicherheit.


8. Manöverkritik mitdenken

Was war gut im Gespräch? Was hätten wir besser machen können? Nehmt Euch am Ende und nach dem Gespräch ein paar Minuten Zeit für Manöverkritik, zunächst mit und dann auch noch kurz ohne die/den Gesprächspartner:in. So lernen beide Seiten dazu und vermeiden, dass sich das Jahresgespräch wie ein Pickel anfühlt.


8,5. Lesen oder hören

Wer das Thema vertiefen will: Von Marcus Schweighart und mir stammt das Buch „Mitarbeitergespräche positiv führen“ (BusinessVillage - Verlag für die Wirtschaft 2022), laut „Personalwirtschaft“ eines der besten Business-Bücher 2022.

In Marcus’ Podcast „Positive Psychologie im Business“ haben wir zwei neulich dazu gesprochen, https://open.spotify.com/show/0F04QNthd6FZR6WZI7x77F, bei mir in „Positiv Führen“ ebenfalls: https://positiv-fuehren.com/podcast/positive-mitarbeitergespraeche-fuehren-mein-podcast-positiv-fuehren-folge-47-mit-marcus-schweighart/ 

(Danke an ZEIT für X | Studio ZX, für deren Newsletter ich eine Version dieses Textes aufschreiben durfte!!!)

Was sind Deine, Eure Prioritäten, Erfahrungen, Hacks mit den Jahresgesprächen? Ich bin gespannt auf Rückmeldung!

Wer meinen Newsletter (zusätzlich) einmal im Monat per Mail bekommen mag: 

positiv-fuehren.com/newsletter


Über mich:

Ich will mehr Gelingen und Glück in die Arbeit bringen – mit Seminaren, Coachings, Workshops, Keynotes zu positiver Führung. Für Führende, Teams, Organisationen. Wissenschaftlich fundiert und umsetzungsorientiert, auf Grundlage der Erkenntnisse und Tools von Positiver Leadership und Psychologie. Wem der Artikel gefallen hat und mehr von/über mich wissen mag: Mich gibt’s auf Xing, LinkedIn, auf meiner Website – und in meinem Podcast "Positiv Führen", alles unter www.positiv-fuehren.com. Wer Fragen/Interesse hat: gern melden!

P.S.: Ihr macht/Sie machen das gut!


Haufe: Positiv führen. Stärken erkennen und nutzen.

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Christian Thiele

ÜBER DEN AUTOR

Mehr Leistung, Freude, Gesundheit und Sinn, mit den Methoden der Positive Leadership: Darum geht es mir in meiner Arbeit als Coach, Trainer, Teamentwickler und Vortragsredner. Für Führungskräfte, Teams und Organisationen. Verliebt, verlobt und bald verheiratet mit Christiane. Vater. Skitourengeher.

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