Was bedeutet Corona für mich als Führungskraft?
Die Verbreitung des Coronavirus besorgt viele Menschen und schafft Unsicherheiten - an den Börsen genauso wie in den Unternehmen. Wie reagiere ich als ChefIn klug und besonnen auf die aktuelle Situation?
(den Text habe ich in früherer Fassung auf Xing-Klartext veröffentlicht.)
Wie dramatisch wird Covid-19: Werden sich eher 25 oder eher 70 Prozent der Bevölkerung mit dem Virus anstecken? Wird die Todesrate unter den Infizierten so hoch sein wie bei einer saisonalen Grippe? Oder gar fünf-, zehnmal höher? Die Ausbreitung des Coronavirus wirft viele Fragen auf, auf die auch Experten keine klaren einheitlichen Antworten haben – und verunsichert die Menschen. Es ist damit nicht nur eine Herausforderung für Staaten und ihre Gesundheitssysteme – es ist auch eine Herausforderung für Chefs.
Nicht nur in Sachen Corona, auch in vielen anderen Bereichen müssen Führende heutzutage mit viel mehr Unwägbarkeiten klarkommen als früher: Märkte werden volatiler, technische Entwicklungen beschleunigen sich, Trends werden uneindeutiger. Kommt das Robotertaxi, kommt es in fünf Jahren oder in 15, kommt es aus München, aus Wolfsburg, aus Peking oder aus einer kalifornischen Garagenfirma, die noch gar nicht gegründet wurde? Einigt sich Trump mit der EU und China über Zollregime oder nicht? Wie dramatisch werden die Folgen des Klimawandels, und wer wird wann wie davon betroffen sein? Wer weiß all das schon?
Es ist immer schwieriger, Daten und Informationen von bloßem Rauschen zu unterscheiden, nicht nur, aber eben auch für Führende. Strategische Fünf-Jahres-Pläne ausarbeiten, ewige Gewissheiten predigen, weil man ja schließlich Chefin oder Chef ist – all das ist immer weniger sinnvoll. Unsicherheit managen, auf Sicht fahren, systemische Wechselabhängigkeiten verstehen, ausprobieren und dazulernen, darum geht es. Nathan Bennett und G. James Lemoine haben dafür vor ein paar Jahren mit einem viel gelesenen Artikel in der „Harvard Business Review“ den Begriff der VUCA-Welt geprägt (volatility, uncertainty, complexity, ambiguity).
Was helfen kann? Ich habe keine Zauberformel parat. Aber aus meiner Erfahrung als Coach und Trainer für Führungskräfte habe ich doch ein paar Impulse, von denen ich glaube, dass sie auch in der aktuellen Coronasituation gültig sind und bleiben:
Mich informieren und informiert halten
In Zeiten einer drohenden Krise sollten Führende einen Teil ihrer Zeit dafür investieren, sich zu informieren und diese Informationen auch auf Stand zu halten. Viele Chefinnen und Chefs unterschätzen ihre Vorbild- und Autoritätsfunktion gegenüber den Mitarbeitern! Klarheit und Souveränität kann nur ausstrahlen, wer Bescheid weiß. Dazu gehört auch zugeben zu können, dass man nicht Bescheid weiß – über das, was noch nicht zu wissen ist.
Innere Klarheit herstellen
Gut und konstruktiv äußern können wir uns nur dann, wenn wir in unserem Innern klar und ehrlich sind. Fragen Sie sich also in einer ruhigen Minute: Wie geht es eigentlich mir persönlich mit der Coronakrise? Wie gehe ich mit der Angst um mein Unternehmen, meine Mitarbeiter – und um meine Kinder, meine Eltern, mich selbst um? Was macht mir dabei Sorgen? Was beruhigt mich und verschafft mir Zuversicht?
Für mich sorgen
„Der Kapitän geht als Letzter von Board“, „In der Krise muss man selbst zurückstecken“: Mit solchen und ähnlichen Formeln überfordern sich viele Führende in schwierigen Situationen – und tun damit ihrem eigenen Krisenmanagement keinen Gefallen. Damit nicht die Amygdala, die Alarmzentrale unseres Gehirns, die Kontrolle über unser Denken, Handeln und Fühlen übernimmt, sollten wir gerade dann, wenn es hoch hergeht, schauen, wie wir immer wieder herunterkommen. Was muss unbedingt getan werden, was kann vertagt werden? Wie kann ich mir Luft zum Nachdenken schaffen, was tut mir dafür gut? Diese Fragen sollten sich Führende sowieso möglichst häufig stellen – umso mehr in Krisensituationen. Dem einen helfen Atemübungen, der nächsten der regelmäßige Frühsport, der übernächsten die Auftank-Playliste auf Spotify. Positiv macht produktiv – auch und gerade in schweren Zeiten!
Rat suchen
Führungskräfte sind umso einsamer, je weiter oben sie in der Hierarchie stehen. Umso wichtiger daher, gerade in Krisensituationen: Sich austauschen, Fragen stellen. Es gibt etliche Studien, zum Beispiel in Flugsimulatoren, die belegen: Wer Fragen stellt und wer sich in Entscheidungssituationen mit anderen abspricht, und zwar am besten quer durch die Hierarchieebenen, entscheidet besser und effizienter als der Alleinbestimmer. Am besten dabei: Offene Fragen stellen wie „Wie siehst du das“, „Was sollten wir aus Ihrer Sicht tun“ et cetera.
Achtsame Entschlossenheit zeigen
Nur wer nichts macht, macht keine Fehler, heißt es oft. Aber auch wenn das meist ironisch gemeint ist, stimmt die Aussage nicht, denn Nichthandeln kann manchmal der größte Fehler überhaupt sein. Daher sollten Sie sich bewusst machen: Wer in Vuca-Zeiten im Allgemeinen und in Krisensituationen im Besonderen entscheidet, riskiert Fehlentscheidungen. Wenn Ihre Entscheidungen sorgfältig auf Pros und Cons untersucht wurden, Ihrer Intuition folgen und zusammen mit anderen abgewogen und abgesprochen wurden, ist alles getan, was getan werden konnte. Und dann mit achtsamer Entschlossenheit durchziehen, das heißt: Das Beschlossene auch umsetzen – und gleichzeitig im Blick behalten, ob nicht doch nachgesteuert werden muss, weil sich möglicherweise die Umstände geändert haben.
Krisenkommando etablieren
Gelegentlich spreche ich mit Werksleitern oder Chefinnen über Krisenszenarien und bin – einerseits – immer wieder entsetzt, wie wenig Gedanken man sich in vielen Betrieben und Firmen über Bedrohungsszenarien macht. Die meisten Führenden wissen gar nicht, was die größten Krisenszenarien für ihre Organisation überhaupt sind, hat eine Deloitte-Studie vor Kurzem ergeben. Andererseits verstehe ich diese Unwissenheit gut, denn es gibt ja genügend anderes zu tun, vor allem wenn Führende sich zu sehr ins operative Tagesgeschäft ziehen lassen. Ein Krisenkommando, das im Fall eines Brandes, einer Umweltkatastrophe oder eben wie jetzt einer Pandemie parat steht, und zwar auch dann, wenn die Chefin oder der Chef selbst gerade in Urlaub oder auf Dienstreise ist, sollte jede Firma haben.
Krisenpläne ausarbeiten und aktuell halten
Dieses Krisenkabinett sollte für die wichtigsten Bedrohungslagen – und die können je nach Branche, Standort oder eben auch Großwetterlage unterschiedlich sein – zumindest grobe Maßnahmenpläne parat haben: Wie informieren wir, wie evakuieren wir, wie können wir unsere Lieferketten mit Zulieferern und Lieferanten aufrechterhalten? Vielleicht macht es auch Sinn, wenn nicht sowieso schon gesetzlich vorgeschrieben, diese Pläne mit Feuerwehr, Katastrophenschutz, Gesundheitsamt und Polizei abzustimmen. Definitiv sollten sie immer wieder aktualisiert und in Erinnerung gerufen werden.
Arbeitskultur überdenken
In vielen Unternehmen stehen in diesen Tagen Desinfektionsmittelspender im Foyer, wird auf Begrüßung per Handschlag verzichtet, wird zu Heimarbeit ermutigt, werden Führungskräftetagungen abgesagt oder virtuell abgehalten. All das bietet auch Gelegenheit für spannende Fragen: Müssen wir weiterhin in der Präsenzkultur des Industriezeitalters zusammenarbeiten? Oder könnten wir nicht, gerade in Zeiten erhöhter Ansteckungsgefahr, mehr von „Work anywhere, anytime“ leben? Was braucht es dafür, was haben wir schon an Ressourcen?
Abhängigkeiten und Lieferketten überdenken
Das neue iPhone wird wegen des Coronavirus möglicherweise nicht rechtzeitig ausgeliefert, für manche Medikamente drohen aufgrund der Firmenschließungen in China nun Engpässe. Das bringt manche ins Nachdenken. Diesen Teil der Wertschöpfungskette mal eben nach China, Vietnam oder sonst wohin outsourcen, jenes Werk dichtmachen, weil am anderen Ende der Welt um ein paar Prozente billiger gearbeitet wird: Die blinde Euphorie der 90er-Jahre ist glücklicherweise längst vorbei. In einer globalisierten Wirtschaft kann sich zwar keine Organisation mehr auf ihre sichere Insel zurückziehen, egal was einem die AfD und die anderen Angstmacher weismachen wollen. Aber um die Interdependenzen und Abhängigkeiten der eigenen Lieferketten zu wissen und sich bewusst zu machen, welche Gefahren damit verbunden sein können – das kann niemandem schaden.
Fragen?
Haben Sie Fragen an mich? Interessiert Sie ein Coaching, als Online-Coaching oder in Präsenzform? Möchten Sie vielleicht ein Seminar oder Webinar zu diesen Themen buchen, für sich selbst, für Ihre Führungskräfte? Ich arbeite seit Jahren zu diesen Themen und Freue mich auf Ihr Interesse.
Mit positiven Grüßen
Christian Thiele
P.S.: Sie machen das gut!